Vom Prohliser Acker in die Londoner Akademie der Wissenschaften

2023 jährte sich der Geburtstag des genialen Prohliser Bauernastronomen Johann Georg Palitzsch zum 300. Male. Ein Nachtrag.

Von MATTHIAS SCHILDBACH, erschienen im Südhang am 1. Februar 2024

In einer Zeit, als der Landmann eher geringes Ansehen in der Ständegesellschaft genoss, gelangte ein Bauer namens Johann Georg Palitzsch (1723 bis 1788) aus dem Dorfe Prohlis bei Dresden schlagartig zu regelrechtem Weltenruhm. 1758 erwarteten in ganz Europa die Gelehrten der Astronomie an den wissenschaftlichen Akademien die Wiederkehr des Halleyschen Kometen

Von einfacher Herkunft

Geboren am 11. Juni 1723 in Prohlis, wuchs er als Bauernsohn auf und musste schon früh in der Wirtschaft helfen. Frühzeitig wurde sein Interesse für Bildung offensichtlich: die sonntäglichen Predigten in der Kirche zu Leubnitz schrieb er fleißig mit, um sie zuhause nochmals zu studieren. Mit zwölf Jahren erregten theologische Bücher sein besonderes Interesse. Mit 13 Jahren wurde er Zeuge eines Gespräches seines Vaters mit dem Müller der Sedlitzer Mühle, die sich angeregt über die Sterne unterhielten. Jener Tag entfachte ein Feuer der Leidenschaft in dem jungen Palitzsch, das zeitlebens brennen sollte.

Durch seine Forschungen und einen nicht müde werdenden Antrieb, Kontakte zu Institutionen und Gelehrten, vor allem in der nahen Residenzstadt Dresden, zu suchen, erreichte Johann Georg Palitzsch sehr schnell das Bekanntwerden seines Namens und seiner Forschungen

Ein Komet verändert sein Leben

Spätestens nach der Sichtung des Halleyschen Kometen durfte Palitzsch sich als „berühmt“ fühlen. Palitzsch war es, der die nach 75 Jahren von Halley vorhergesagte Wiederkehr des Kometen im Jahr 1758 als Erster in Europa wahrnahm. Das Revolutionäre daran war, dass man das Erscheinen eines Kometen erwartete, das heißt mit seiner rhythmischen Wiederkehr rechnete. Bis dahin waren Kometen am Himmel immer unerwartet und lösten bei den Menschen düstere Deutungen für die nahe Zukunft aus. Mit der Wiederkehr des Kometen war auch Isaac Newtons Gravitationstheorie bewiesen. Aus Verwunderung über die Leistung eines kursächsischen Bauern wurde bald Bewunderung.

In den nachfolgenden Jahren wurde Palitzsch immer wieder auf seinem Bauerngut von Ministern, Wissenschaftlern und selbst den Fürsten seiner Zeit aufgesucht. Dass er ein ausgesprochen gutes Verhältnis zum sächsischen Kurfürsten hatte, ist durch vielerlei Anekdoten verbürgt. Der Heimatforscher Friedrich Theile (1814 bis 1899), der ein wundervolles und heute noch beachtetes Lebensbild über den Bauernastronomen verfasst hat, weiß zu berichten: 

„In welcher sämmtlichen Weise der Kurfürst mit Palitzsch verkehrte, davon ist Folgendes überliefert. Palitzsch wanderte einmal in einem frühen Vormittag durch den Großen Garten nach der Stadt. Da begegnete ihm der Kurfürst zu Wagen. Er ließ halten und rief Palitzsch an den Wagenschlag. Wie das?, fragte der Kurfürst, zu Fuß? Ja, kurfürstliche Gnaden, antwortete Palitzsch, jetzt haben die Pferde auf dem Felde zu tun! Da muss der Bauer zu Fuße sehen! Und noch am späten Nachmittag des selbigen Tages brachte ein kurfürstlicher Reitknecht unserem Palitzsch ein Reitpferd als Geschenk vom Kurfürsten.“

Eine andere Anekdote verbürgt Palitzsch als Pionier der Einführung von Blitzableitern in Sachsen. Er hatte davon in einer englischen Wissenschaftszeitschrift gelesen und empfahl diese neue Erfindung schnurstracks dem Landesfürsten. Der reagierte und ließ das Dresdner Schloss als erstes Gebäude in Sachsen mit einem Blitzableiter ausrüsten.

Auch von einem Besuch Friedrich II. von Preußen, des Großen, bei Palitzsch während des Siebenjährigen Kriegs berichtet Theile: „Als Friedrich der Große bei Palitzsch in die Unterstube eingetreten, habe dieser rasch einen Stuhl aus der oberen Stube heruntergeholt, weil in der Unterstube nur feste Wandbänke vorhanden gewesen. Da habe Friedrich der Große gesagt: 'Nein, lass Er das! Wo Er sitzt, sitze ich auch, ich bin's gewohnt, hart zu sitzen.'“

Nicht nur die Sterne übten Faszination auf Palitzsch aus. Er bildete sich in Physik und Botanik weiter, so dass er - ebenfalls als Erster - das Vorkommen des Süßwasserpolypen in Sachsen nachwies. Sein Bauernhof war das reinste Museum, er soll am Ende seines Lebens über 3.500 Bücher besessen haben; eine naturwissenschaftliche Sammlung, die heute ein materielles wie ideelles Vermögen darstellen würde sowie einen botanischen Garten mit exotischen Anpflanzungen von allen Kontinenten der Erde.

Geblieben von den Schätzen ist nicht viel. 25 Jahre nach seinem Tod wurde sein Bauernhof von russischen, preußischen und französischen Soldaten während der Schlacht von Dresden 1813 geplündert und schwer beschädigt. Der Hof hat die Zeiten nicht überdauert - nicht einmal das Dorf Prohlis, das spätestens in den 1980er Jahren dem städtischen Neubaugebiet selben Namens weichen musste.

Friedrich Theile, Palitzschs bedeutendster Biograf

Theile selbst hatte ein bewegendes Leben hinter sich, als er 1877, selbst schon 76-jährig, Johann Georg Palitzschs Lebensbild veröffentlichte. 1814 in Chemnitz geboren und später zum Arzt ausgebildet, ließ er sich in Lungkwitz bei Kreischa nieder. 1849 wurde er vom Fieber der Revolution mitgerissen, was ihm in den kommenden Jahren mehrere Jahre Haft einbrachte. Begnadigt und entlassen, war er zunächst mittellos und musste sich neu organisieren.

Für seine Mitmenschen engagierte er sich außerordentlich sozial, besonders das Thema Bildung lag ihm am Herzen. In seinem späten Lebensabschnitt wurde er zu einem der umtriebigsten Heimatforscher seiner Zeit und wirkte maßgeblich an der Arbeit des Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz mit. Aus dem Verein ging 1908 der Landesverein Sächsischer Heimatschutz hervor, der das Ziel verfolgt, die natürlich und geschichtlich gewachsene Eigenart der obersächsischen Heimat zu bewahren, ihre Natur zu schützen, ihre Landschaft verantwortungsvoll zu gestalten und ihre historischen und kulturellen Werte zu erforschen und zu erhalten. Theile war einer der großen Vordenker

Peter Neukirch, Leiter des Palitzsch-Museums in Dresden-Prohlis, sieht das so: „Friedrich Theiles Arbeit ist die erste und wichtigste Biografie über den Prohliser Bauerngelehrten, die nach wissenschaftlichen Maßstäben entstand. Dass sich der Wahrheitsgehalt mancher Überlieferung auf das Anekdotische beschränkt, war Theile klar und tut dem Lesevergnügen seines Werkes keinen Abbruch.“

2023 war das Jahr des 300. Geburtstages von Johann Georg Palitzsch. Mit verschiedenen Veranstaltungen und Texten in Zeitschriften und im Internet wurde des Bauernastronomen gedacht. Am Ende des Palitzsch-Jahres folgte nun Theiles Biografie über Palitzsch. Für das interessierte Publikum wurde der Text neu editiert.

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