Geschichten über Liebe, Armut und Uhrmacher in Markersbach
Marco Schröder lässt die Geschichte seines Heimatdorfes nicht los. Jetzt hat er es wieder getan: Ein kleines Buch geschrieben über die „kleinen Leute" und ihre Nöte.
Von HEIKE SABEL, erschienen in der Sächsischen Zeitung am 12. Januar 2024
Man konnte meinen, die Geschichten Leines so kleinen Ortes wie Markersbach sind irgendwann alle aufgeschrieben. Doch Marco Schröder findet immer neue. Nun hat der Hobby-Historiker und -Autor ein weiteres Heft mit Geschichten aus der Geschichte seines Heimatdorfes geschrieben. Kurz vor Weihnachten sind die 60Seitenunter dem Titel „Neues von Königs, Rinds und Rehns Geschichten aus Markersbach“ erschienen.
Es ist die vierte Veröffentlichung Schröders, zum Teil in Zusammenarbeit mit Matthias Schildbach, die sich der Markersbacher Kindsmörderin Henriette Renn (1822-1852) bzw. deren Familie und Umfeld widmet. Wieder geht es Schröder um den Blick auf die „Markersbacher Armut“, die Sorgen und Nöte heute längst vergessener Generationen „Über Fürsten und die ‚hohe Politik‘ im 19. Jahrhundert schreiben kann jeder“ sagt der gebürtige Markersbacher, der seit vielen Jahren in Baden-Württemberg lebt.
Eine Uhrmacher-Dynastie
Trotz des gleichen Themas unterscheidet sich die neue Broschüre von den anderen beiden Ergänzungsheften zum „Fall Rehn“. Schröder schreibt diesmal fünf einzelne Erzählungen, Deren Ausgangspunkt sind jeweils authentische, aktenkundig belegbare Begebenheiten, sagt der Autor.
Die erste Geschichte („Christoph Königs Altersleid“) bezieht sich auf das Schicksal von Christoph König (1758-1835), dem Großvater der Kindsmörderin Henriette Rehn, und spielt im Oktober 1833. Die zweite Geschichte führt die erste indirekt weiter. Sie ist die des Uhrmacher-Handwerks, eines Geschäftes und einer Familie. „Der Begründer einer Uhrmacherdynastie handelt von Christian König (1760-1822), dem Bruder von Christoph König. Er erlernte in Berggießhübel das Uhrmacherhandwerk, etablierte sich in den 1780er Jahren in Markersbach als Uhrmacher und zog 1814 mit seinem Geschäft nach Königstein. Hier bestand der Handwerksbetrieb ununterbrochen bis 1981.
Bereits 1974 hatte der Sohn des letzten Königsteiner Uhrmachers Gerhard König, Wolfgang König (geb.1949), ein Uhrengeschäft in Berggießhübel eröffnet dort, wo der Vorfahr einst seinen Beruf lernte. Wolfgang König, Uhrmacher in sechster Generation wurde durch das Buch „Der Fall Rehn“ und den Begleitband „Die Königs“ auf seine Familiengeschichte aufmerksam und nahm Verbindung zu Schröder auf.
Die Erzählung im neuen Buch beginnt im Frühjahr 1814 mit dem Umzug Christian Königs und seiner Familie nach Königstein und zeichnet den Werdegang des Unternehmens bzw. der Familie bis in die Gegenwart nach. Mit „Querelen im Armenhaus widmet sich die dritte Geschichte abermals der Familie Rehn und ihrem Ärger mit den Behörden. Die Erzählung spielt ihn September 1831. „Liebe in Zeiten der Armut“ ist etwas ganz besonderes, sagt Schröder.
Anhand abermaligen Aktenstudiums gelang es ihm, den Beginn der Liebesbeziehung zwischen der Mutter der Makersbacher Kindsmörderin Henriette Rehn. Rosina Rehn geb. König (1791-1872), und ihrem zweiten Ehemann Karl Gottfried Schönwälder (1803-1853) nachzuzeichnen. Die Erzählung spielt im Oktober 1836 und damit zwei Jahre vor der Heirat beider.
Nachfahre liefert wichtiges Material
Die fünfte Erzählung („Verwandt mit einer Mörderin“) beschreibt die Lebenswege von Gottlieb Ernst Rehn (1833-1905), dem Neffen der Markersbacher Kindsmörderin, und seiner Nachkommen. Diese waren Müllermeister und später unter anderem
Besitzer der „Rehnmühle" in Schöna, die bis 1958 als Mühle und bis Anfang der 1970er Jahre als Verkaufsladen in Betrieb war. Auch hier habe ein Nachfahre viel Material geliefert, sagt Schröder. Gerhard Rehn (geboren 1971), lebt in Rheinland-Pfalz und war ebenfalls durch Zufall auf das Buch über den „Fall Rehn“ gestoßen. So stelle er fest, dass er mit Henriette Rehn verwandt ist.
Die Erzählung beginnt am Himmelfahrtstag 1849, al Henriette nachweislich das letzte Mal bei ihrer Familie in Markersbach weilte und mit ihr den Gottesdienst besuchte. Drei Jahre später beging sie den schrecklichen Mord an ihrer zweieinhalbjährigen Tochter in Dresden, der in dem Buch „Der Fall Rehn“ erzählt wird.
Eine nie endende Reise
„Als ich mich im Jahr 2021 auf eine Reise begab, eine Reise zu Henriette kenn. Der Markersbacher Kindsmördern, ahnte ich nicht wie sehr mich deren Schicksal in seinem Bann halten würde“ schreibt Schröder im Vorwort zum neuen Buch. Die Kontakte zu den Nachfahren, die durch das Buch zustande kamen, zeigen, dass die Geschichten längst noch nicht alle erzählt sind.
Und auch in den Akten und Archiven schlummert noch so manche Markersbacher Geschichte, die es lohnt, aufgeschrieben zu werden. Es sind Menschen wie die Nachfahren, die ihre Geschichten erzählen, und Menschen wie Schröder, die sie aufschreiben, die dafür sorgen, dass Geschichte lebt.