Der Fall Rehn/Die Königs
Der Fall Rehn - Sachsens letzte öffentliche Hinrichtung mit dem Schwert
Marco Schröder, Matthias Schildbach. Kottmar 2022, ISBN 978-3-9822011-4-6, 276 S., zahlreiche Abbildungen, Preis: 29,80 Euro.
Die Königs - Die Familie der Markersbacher Kindsmörderin Henriette Rehn
Marco Schröder. Kottmar 2022 (ohne ISBN), 68 S.
Erschienen in Landesverein Sächsischer Heimatschutz am 1. März 2023
Wieder auf den Spuren eines historischen Kriminalfalls bewegt sich Matthias Schildbach, einer der beiden Autoren der vorliegenden Titel, dessen Bücher bereits mehrfach in den Grünen Heften vorgestellt wurden. Matthias Schildbach arbeitet bereits an einem weiteren Kriminalfall aus dem größeren Umkreis Dresdens, der 1833 tot aufgefundenen Magd Gelhaar, deren Mörder in Kippoldiswalde hingerichtet wurde. Der zweite Autor, Marco Schröder, hat eine Chronik zu Markersbach geschrieben. So fanden sich Interessen der beiden in dem „Fall Rehn“.
Henriette Rehn, eine Kindsmörderin, hat es insofern zu trauriger Bekanntheit geschafft, als sie die letzte in Sachsen öffentlich durch das Schwert gerichtete Delinquentin war, die 1852 auf dem Schafott starb. Die wahrhaft misslungene Hinrichtung – der Scharfrichter brauchte drei Anläufe, da die Rehn sich während des ersten Schwertstreichs bewegte – führte zu einem Ende der öffentlichen Hinrichtungen mit dem Schwert und der anschließenden Verwendung einer Guillotine. In zeitgenössischen Zeitungsberichten wurde kritisiert, dass Hinrichtungen noch vor unbeschränkter Öffentlichkeit stattfanden.
Die beiden Autoren schildern den Lebenslauf der Henriette Rehn, die Hintergründe der Tat, den Prozess sowie die Hinrichtung und gehen umfassend auf das Umfeld ein. So erfährt der Leser einiges über die Praktiken der Anatomie, den Anatomiefriedhof und anderes mehr. Großen Raum nehmen die Darstellung des Lebens der Rehn, die polizeilichen Ermittlungen und der Prozess ein. Rehn hatte ihre Tochter in eine Abortgrube geworfen, woraus das Opfer erst acht Tage später tot aus der Jauche geborgen werden konnte. Ohne Effekthascherei, sachlich und mit Distanz, aber dennoch sensibel wird das Geschehene dargestellt und die sozialen Umstände, die die Tat begleiteten und teils auch bedingten, nicht ausgespart. Im Erzählstil wird den Lesern ein Thema nahegebracht, das insofern nichts an Aktualität verloren hat, als dass solche Verzweiflungstaten, bei denen Säuglinge und kleine Kinder die Opfer sind, bis heute geschehen. Die Zahl und der Umfang der durch die Autoren genutzten Quellen sind beachtlich. Das Bildmaterial stellt vor allem die Orte der Lebensstationen der Rehn dar.
Den Vorfahren und dem genealogischen Umfeld der Familie der Kindsmörderin geht Marco Schröder nach, der die Erkenntnisse in einer Art Beibroschüre zu dem Hauptband quellenbasiert und intensiv aufzeigt. Die Familie Rehn stammt aus dem Osterzgebirge; die Familie der Mutter Henriettes, König, war in Markersbach ansässig. Die Familie Rehn wird in der Betrachtung außen vor gelassen; Schröder widmet sich stattdessen, im Schreib- und Erzählstil des Hauptbandes, der Familie König. Der Urgroßvater Anton König stammte aus der Umgebung von Böhmisch Leipa und gehörte als uneheliches Kind, dessen Vater nicht bekannt ist, zur sozialen Unterschicht. Mit reichlich 20 Jahren wanderte Anton nach Oelsen aus und verzog danach nach Markersbach. In der angewandten Genealogie, die Schröder verwendet, wird erzählerisch, aber stets quellenbasiert (Kirchen- und Gerichtsbücher) die Geschichte der Familie König vorgestellt. Eine Stammtafel ist dem Text beigegeben. Der Autor verdeutlicht, wie gewinnbringend die Nutzung der Genealogie für die Erforschung und Darstellung historischer Prozesse ist – und, so die Meinung des Rezensenten, noch viel zu wenig berücksichtigt wird.