Das mysteriöse Steinkreuz im Babisnauer Rain

Von einem steinernen Denkmal im Dresdner Süden, das eine tragische Geschichte erzählt.

Von MATTHIAS SCHILDBACH, erschienen im Südhang am 1. November 2023

Es ist wahrlich nicht leicht zu finden, und wer sich die Mühe des Weges zu ihm macht, muss mit Weidezäunen, Kuhfladen, der Begleitung allerlei fliegendem Insekt und hohem Gras rechnen. Die Rede ist vom Decollata-Kreuz bei Bärenklause und Babisnau.

Seit das Buch „Decollata - Die Enthauptete" im Herbst 2020 erschienen ist, hat das Kreuz wohl einen Besucherstrom gesehen, den es so noch nicht gegeben hat.Das bewegende Schicksal der Rosina Heschel, geboren 1724 als Tochter einer Süßener Magd und eines aus Friedrichswalde stammenden Knechts, hat sich in diesem sandsteinernen Monument verewigt. Was ihr geschehen ist, erregt einerseits Mitleid und Unverständnis für die Rohheit der Menschen untereinander, andererseits zeigt es, wie penibel und sauber die Richter ermittelten, jedoch wie archaisch die Justiz noch ihre Urteile aussprach.

Rosina war von einem Knecht, der mit ihr auf dem Rittergut Bärenklause arbeitete, während der Erntezeit 1749 geschwängert worden. Sie hatte mit ihm sexuellen Umgang gehabt, außerhalb der Ehe, und hatte dazu noch ein Kind empfangen. Gottlieb, der Missetäter, hatte statt zu seiner Verantwortung zu stehen und Rosina zu heiraten, nichts Besseres im Sinn, als ihr die Leugnung ihrer Schwangerschaft zu raten. In einfachen Strukturen denkend und ungebildet wie Rosina war, gehorchte sie.

Als es am Ostersamstag soweit war und sie niederkam, traf sie der Schock. Allein, ohne Hilfe und auf sich gestellt, gebar sie einen Jungen auf dem Heuboden einer Scheune in Saida. Vermutlich stand jener Hof, auf dem sie zu der Zeit diente, genau da, wo heute die Obstfarm Pietzsch und Winkler ihre Gebäude stehen hat. Völlig traumatisiert, ließ sie das Neugeborene zurück, im Heu, ohne Obhut.

Was dem Kind wirklich widerfahren ist, das man kurze Zeit später tot und mit seltsamen Spuren von Verletzungen fand, versuchten in den folgenden Tagen aus Dresden herbeizitierte Ärzte zu klären. In der offenen Scheune wurde der kleine Leichnam seziert. Das ausführliche Sektionsprotokoll legte ich 2020 der Gerichtsmedizin des Universitätsklinikums Dresden vor und die Erkenntnisse waren bemerkenswert. War Rosina unschuldig? Wurde sie zu Unrecht zum Tode verurteilt oder hatte sie ihrem eigenen Kind Gewalt angetan?

Die Inquisitionsakte „contra Rosina Heschelin", sie lagert bis heute im Sächsischen Staatsarchiv. Der Justiz von damals war es einerlei: Rosina gestand den Mord an ihrem Baby, weil sie Angst vor der Folter durch den Dresdner Scharfrichter hatte. So seltsam der Name dieses Zeitgenossen war - Paul Polster - so merkwürdig war seine Aufgabe. Auf Anweisung der Juristischen Fakultät zu Leipzig, die damals die Urteile in solchen Prozessen aussprach, zeigte er Rosina die Folterinstrumente und erklärte ihr, was er mit ihr anstellen würde, sollte sie nicht gestehen. Es genügte, dass Rosina irgendetwas erzählte, was die Gerichtsherren hören wollten. Der Wahrheit entsprach ihr Geständnis nicht. Ihr Leben war verwirkt. Am 18. Dezember 1750 wurde sie hingerichtet.

„Decollata", das uns fremd erscheinende Wort, ist ganz einfach zu erklären: es stammt aus dem Lateinischen, die Betonung liegt auf dem ersten „a“. Die Vorsilbe de- bedeutet soviel wie ab-, ent- oder weg-, das Wort „collum“ heißt Hals. Das „-a“ am Ende deutet auf eine weibliche Person hin, im Umkehrschluss hätte es bei einem männlichen Enthaupteten „Decollatus“ geheißen. Kurzum, Decollata heißt auf Deutsch die Enthauptete. Das Wort „dekollieren“ war im 18. Jahrhundert noch umgangssprachlich und eine gewählte Form, die Enthauptung zum Ausdruck zu bringen.

Matthias Schildbach

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